(Wieder) Bewegung ins Leben bringen

Ja, die Bewegungstherapie ist eine der Säulen der Komplexen Physikalischen Entstauungstherapie (KPE). Dieser Beitrag soll aber keineswegs ein erhobener Zeigefinger sein, um Ihnen als Patientin den schon so oft gehörten Satz "Mach doch mal mehr Sport!" unter die Nase zu reiben. Sie dürfen also ruhig weiter lesen...

Es gibt Menschen, die machen für Ihr Leben gerne Sport - schon immer. Sport ermöglicht Ihnen vom Alltag abzuschalten, Energie zu kanalisieren, ihre Grenzen kennenzulernen und darüber hinaus zu gehen und das wichtigste: sie haben Spass daran! Ob mit oder ohne Lipödem.

Bei manchen von uns ist es aber mit den Jahren so weit gekommen, dass das Wort Sport negativ verknüpft ist und uns eine Gänsehaut verschafft; aus erlernter Hilflosigkeit heraus, weil jeder Zwang und jede Disziplin in Sachen Sport auf der Waage und an den betroffenen Extremitäten keinerlei Besserung gebracht hat und wir uns deswegen - zu unrecht - ein schlechtes Gewissen einreden. Oder weil manche von uns Sportmuffel sind - wie ich zum Beispiel. Oder weil wir generell den Spass an der Bewegung über die Jahre verloren haben oder uns das Fortschreiten der Krankheit in unseren Bewegungsmöglichkeiten teilweise extrem einschränkt.

Und es gibt diejenigen unter uns, die sich gerne mehr bewegen würden, mehr unternehmen wollen, sich aber aus Scham und Angst vor Verurteilungen kaum mehr unter die Leute trauen - geschweige denn in ein Fitness-Studio oder in ein Schwimmbad.

Fakt ist: Bewegung tut gut - und zwar dem Körper und der Seele! Bewegung kurbelt den Stoffwechsel und das Lymphsystem an. Bewegung hilft Arthrosen vorzubeugen. Bewegung an der frischen Luft, gerne in der wunderschönen Natur schüttet Endorphine aus. Bewegung hilft dabei, den Kopf klar zu bekommen. Bewegung macht es überhaupt erst möglich, neue Dinge zu entdecken, Menschen kennenzulernen, die Welt zu erkunden und neue Inspirationen zu finden.
Bewegung lässt uns über Grenzen hinaus zu gehen, neue Erfahrungen sammeln und last but not least - daraus neues Selbstvertrauen schöpfen!

Bewegung kann so viel mehr sein als Sport im klassischen Sinn. Jeder Schritt nach vorne ist ein Schritt in die richtige Richtung! Jeder Schritt nach vorne hilft uns, uns von den Fesseln zu lösen, die wir uns selber auferlegt haben:
Je nach individueller körperlicher Verfassung einfach mal öfter eine Runde um den Block gehen, den neuen Dorfbäcker zu Fuss besuchen, täglich 10 Minuten länger mit dem Hund raus gehen, den Kaffee beim Spazieren durch den Garten trinken, sich mit Freunden zum Spaziergang treffen anstatt zu telefonieren oder zu schreiben.
Sind Sie körperlich nicht sonderlich eingeschränkt und wollten immer schon eine bestimmte Sportart ausprobieren und haben es sich bisher nicht getraut? Tun Sie es! Oder suchen Sie sich über unsere Austauschmöglichkeiten z.B. auf Facebook eine Lipödem-Gefährtin und probieren Sie zu zweit die Fesseln zu lösen, die sich selber auferlegt haben!
Vielleicht setzt ihnen die Erkrankung Grenzen, aber nicht das Lipödem hält sie davon ab, es wenigstens auf einen Versuch ankommen zu lassen.

Haben Sie Sich immer schon pudelwohl im Wasser gefühlt, schämen sich aber und haben Angst vor fremden Blicken? Gehen Sie trotzdem ins Schwimmbad! Versuchen Sie, Sich auf sich selbst zu konzentrieren, auf die Freude, die Sie dabei verspüren. Denn es gibt absolut GAR nichts, wofür es sich zu schämen gilt: niemand von uns hat um diese Krankheit gebeten und niemand von uns hält daran fest. Natürlich schränkt uns das Lipödem ein, die einen mehr, die anderen weniger. Aber oft sind die Grenzen die wir uns in unseren Köpfen setzen, noch viel enger gesteckt, als eben jene solche Grenzen. Wir können alle gemeinsam Kraft daraus schöpfen, dass jetzt auch in Luxemburg über die Erkrankung offen gesprochen wird und aus dem Wissen, dass keine von uns damit alleine ist. Machen wir etwas daraus!

Ich selber habe vor kurzem das Bellicon-Trampolin für mich entdeckt. Vor einem Jahr hätte ich jeden ausgelacht, der mir mit so einem Vorschlag gekommen wäre. Ja, ich hüpfe darauf in meinem Haus herum zu ulkigen Videos. Und es macht Spass und ich fühle mich gut dabei. Manchmal nur 10 Minuten, manchmal nur 5, manchmal aber auch 45 Minuten, je nach Lust, Zeit und Laune. Noch aussergewöhnlicher - zumindest für mich - ist eine Leidenschaft, die ich letztes Jahr entdeckt habe: Kletterparks, bzw. Hochseilgärten! Das erzählt Ihnen eine Frau, der vor 12 Monaten schon schwindelig wurde, wenn sie auf einen Stuhl gestiegen ist. Ich wollte meine Höhenangst überwinden. Nun ja, das ist nicht geglückt, aber ich überwinde mich jedes Mal neu und absolviere die Parcours in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden. Es wird dabei laut (!) geflucht und alles mögliche verflucht, es wird manchmal fast geweint aber das wichtigste - danach stecke ich voller Glückshormone! Und ich sage mir jedesmal währenddessen: "Wenn Du das hier schaffst, schaffst Du alles!". Und ich habe jedesmal alles geschafft. Und im Leben ebenso, und das können Sie auch! Glauben Sie an Sich, denn Sie sind es wert!

Werden Sie wieder aktiv, haben Sie wieder Freude am Leben und vor allem, lassen Sie Ihr Leben nicht von einer Krankheit bestimmen, für die Sie nichts können!

Wir können nur selber etwas verändern: bringen wir wieder etwas mehr Bewegung in unser Leben! Die Freude wird nachziehen - versprochen!

Carole Olinger