A. Anerkennung der chronisch fortschreitenden Erkrankung Lipödem

In vielen unserer Nachbarländer ist das Lipödem schon seit Jahren als chronisch fortschreitende Erkrankung anerkannt. In Deutschland gibt es seit dem 1.1.2017 eine eigene, stadiumspezifische ICD-10 Codierung. Die konservative Therapie ist in Deutschland weitestgehend abgesichert.

Problem:

In Luxemburg ist die Erkrankung offiziell nicht anerkannt. Die Betroffenen erhalten seitens Akteure des Gesundheitswesens nur selten brauchbare Auskünfte. Die Diagnosenstellung und Therapie erweisen sich als schwierig, weil auch viele Mediziner nicht auf dem neuesten Stand der Forschung sind.

Forderungen von Lipödem Lëtzebuerg und Patiente Vertriedung:

  • Sensibilisierung und Information der Caisse Nationale de Santé (CNS), Ärzteschaft, „Kinesitherapeuten“ und der Öffentlichkeit über die chronisch fortschreitende Erkrankung Lipödem, deren Symptome, Verlauf, Folge- und Sekundärerkrankungen
  • Verbesserte Diagnostik
  • Anerkennung des Lipödems als chronisch fortschreitende Erkrankung

B. Komplexe Physikalische Entstauungstherapie (KPE) - Konservative Therapie 

  1. Kompressionsversorgung - Kostenübernahme und Rückerstattung

Eine nach Maß angefertigte Kompressionsversorgung nach dem Flachstrick-Verfahren für betroffene Extremitäten (Beine und/oder Arme) ist bei der konservativen Behandlung des Lipödems unerlässlich und aus medizinischer Sicht notwendig. Diese Form der Therapie ist in den Nachbarländern abgesichert. Bei Lipödem Patientinnen ist aufgrund der Extremitätenform und der Gewebebeschaffenheit in der Mehrzahl der Fälle eine Maßanfertigung einer Flachstrickversorgung erforderlich (siehe S1 Leitlinie Lipödem der DGP).

Probleme:

Die CNS macht in Ihrer Nomenklatur keinen Unterschied zischen Flach- und Rundstrickversorgung und setzt den Maximalbetrag für Kompressionsversorgung nach Maß auf 180,19€ (P5010131) bzw. 245,72€ (P5010132) fest. Dies entspricht nicht den realen Kosten die für eine Flachstrickversorgung nach Maß anfallen. Die realen Anschaffungskosten liegen in Luxemburg je nach Modell (Strümpfe, Strumpfhosen, Bolero) und Ausführung zwischen 350€ und 800€.

Es besteht keine Kongruenz in der Kostenübernahme bzw. Rückerstattung der CNS: in vielen Fällen wird den Betroffenen eine Beteiligung gänzlich verwehrt, in seltenen Fällen werden die Kosten komplett zurück erstattet, in mehreren Fällen werden falsche Codes bei der Verrechnung angewendet (z.B. P5010131 bei Strumpfhosen oder P5010133 bei einer nach Maß angefertigten Versorgung).

Forderungen von Lipödem Lëtzebuerg und Patiente Vertriedung:

  • Kostenübernahme der medizinisch notwendigen flachgestrickten Kompressionsbestrumpfung von mindestens 80%
  • Einführung von Codes in der Nomenklatur (Livre Jaune) für Flachstrickversorgung nach Maß (Strümpfe, Strumpfhosen und Armbestrumpfung) mit jeweils angepassten Tarifen
  • Kongruenz in der Anwendung seitens der CNS
  1. Kompressionsversorgung - Wechsel- und Austauschversorgung

Eine Wechselversorgung aus hygienischen Gründen ist zwingend notwendig: damit die Kompressionstherapie Erfolg hat, muss diese jeden Tag - und zwar den ganzen Tag - getragen werden. Laut Herstellerempfehlung soll die Versorgung täglich gewaschen werden, damit der Kompressionsdruck gewährleistet bleibt.

Die Haltbarkeit der Kompressionsversorgung ist von den meisten Herstellern (Juzo, Medi, Jobst) auf 6 Monate begrenzt. Danach kann nicht mehr für einen ausreichenden Druck garantiert werden.

Zeigen die Kompressions- und Bewegungstherapie Erfolge, verringert sich im Idealfall der Umfang der betroffenen Extremitäten. Dies ist auch der Fall nach einem erfolgreich durchgeführten chirurgischen Eingriff (spezialisierte Liposuktion). Dies führt dazu, dass die massangefertigte Versorgung eventuell noch vor Ablauf der 6 Monate nicht mehr passt und ersetzt werden muss.

Problem:

Laut Statuten der CNS stehen den Patientinnen im Jahr 2 Versorgungen in Form von Kompressionsbestrumpfung zu (Annexe B - Chapitre 5 - Moyens accessoires orthopédiques, P5010130 - P5010133).

In der Praxis wird vielen Patientinnen aber nur eine Versorgung pro Jahr genehmigt.

Es kommt nicht selten vor, dass die Patientinnen durch diese zwingend notwendige Austauschversorgung, aus hygienischen Gründen oder aufgrund von Materialdefekten 4 bis 8 Versorgungen pro Jahr benötigen. Die aktuelle finanzielle Belastung für die Patientinnen aufgrund der unter  Punkt 1 aufgeführten Probleme ist unzumutbar.

Forderungen von Lipödem Lëtzebuerg und Patiente Vertriedung:

  • Angepasste flachgestrickte Kompressionsversorgung alle 6 Monate inklusive Wechselversorgung aus hygienischen Gründen
  • Zusätzliche Austauschversorgung bei nachgewiesener Umfangsreduzierung
  1. Manuelle Lymphdrainage (MLD):

Beim Lipödem sind die Fettzellen krankhaft vergrößert und verformt. Gleichzeitig kommt es zu einer Behinderung des Lymphabflusses. Es tritt verstärkt Flüssigkeit in die Zellzwischenräume. Dadurch bilden sich Wasseransammlungen, sogenannte Ödeme. Die Folge sind starke Schmerzen. Die MLD, die vom „Kinesitherapeuten“ durchgeführt wird, ist ein wichtiger Stützpfeiler der KPE im Sinne der Ödemreduktion. In Kombination mit der Kompressionsbestrumpfung, welche das Ergebnis der MLD erhält, kann man das Fortschreiten der Erkrankung verzögern - wenn auch nicht aufhalten. Den Betroffenen kann so ein Teil des physischen Leidensdrucks genommen werden.

Probleme:

Seit dem 1.1.2017 hat die CNS ihre Statuten geändert: eine Eigenbeteiligung von 30% wird jetzt bei der MLD Behandlung fällig und die maximale Anzahl der Sitzungen ist auf 8 begrenzt worden.

Das Lipödem ist eine chronisch fortschreitende Erkrankung und findet sich in keinem Stadium unter den „Pathologies lourdes“ des Anhangs G der CNS-Statuten wieder, welches eine Langzeitverordnung ermöglicht hätte. Das Lipödem - und auch das Lymphödem - laufen somit unter „Pathologies courantes“.

Was heisst dies nun konkret für die Betroffenen?

  • 30% Selbstbeteiligung an den MLD-Sitzungen ergeben:

rund 2500€ pro Jahr bei 4 bis 5 Anwendungen pro Woche (z.B. Stadium 3 und 4)
rund 1500€ pro Jahr bei 2 bis 3 Anwendungen pro Woche (z.B. Stadium 2)
rund 750€ pro Jahr bei 1 bis 2 Anwendungen pro Woche (z.B. Stadium 1 bis 2)

  • Je nach Stadium der Erkrankung werden die Patientinnen gezwungen ihren behandelnden Arzt alle 2 bis 4 Wochen aufzusuchen, um eine neue MLD-Verordnung zu bekommen.
  • Falls der behandelnde Therapeut nicht mit dem System des „Tiers payant“ arbeitet, müssen die Betroffenen alle 2-4 Wochen den gesamten Betrag, d.h. 100% der 8 Sitzungen übernehmen und auf die Kostenrückerstattung seitens der CNS warten.

Forderungen von Lipödem Lëtzebuerg und Patiente Vertriedung:

  • Aufnahme des Lipödems, in allen Stadien, in die Liste der „pathologies lourdes“
  • Kostenübernahme der medizinisch notwendigen MLD bei Lipödem von mindestens 80%
  1. Stationärer Aufenthalt in einer Fachklinik für Lymphologie

Im Rahmen einer im Vorfeld von der CNS genehmigten Kur, die die 4 Säulen der KPE vereinigt (Kompressionstherapie, manuelle Lymphdrainage, Bewegungstherapie und Hautpflege) dürfen Betroffene mittels eines sogenannten S2-Formulars eine mehrwöchige stationäre Entstauungstherapie im Ausland machen.

Problem:

Keine Kongruenz bei der Genehmigung der Kur.

Forderungen von Lipödem Lëtzebuerg und Patiente Vertriedung:

  • Kostenübernahme des stationären Aufenthalts in einer Lymphklinik von mindestens 80%, auch bei Lipödem ohne Lymphödem (Stadium 1-3), mindestens einmal im Jahr. 

C. Operative Therapie - Liposuktion bei Lipödem

Die KPE ist ein sehr wichtiger Bestandteil der Therapie bei Lipödem. Die KPE reduziert die Ödeme und lindert den physischen Leidensdruck, jedoch reduziert sie keineswegs den Ödemherd. Dies ist nur durch eine operative Therapie möglich, bei der mittels spezieller Fettabsaugung - Liposuktion - die erkrankten und genetisch veränderten Fettzellen entfernt werden. Zahlreiche Studien belegen dies.

Probleme:

Vor dem 1.1.2017 hat die CNS sämtliche Anträge auf Liposuktion bei Lipödem kategorisch abgelehnt und diese Therapiemethode als „purement esthétique“ bezeichnet.

Seit dem 1.1.2017 gibt es eine Neuerung in den CNS Statuten, Anhang C L’assurance maladie ne prend pas en charge le traitement chirurgical du lipoedème, sauf en cas de lipoedème au stade 4.“

Auf Nachfrage bei der CNS heisst es unter „Stade 4“  verstehe man Lipödem im Stadium 3 mit zusätzlichem sekundären Lymphödem. Hierbei sollte erwähnt werden, dass das Lymphödem eine leider relativ häufige Sekundärerkrankung bei Betroffenen ist, die sich im Laufe der Zeit (Stichwort chronisch fortschreitende Erkrankung) oder durch falsche bzw. keine Therapie des vorhandenen Lipödems überhaupt erst entwickelt.

Die Chancen auf ein Leben ganz ohne oder mit weniger Therapiemassnahmen der KPE nach operativer Therapie reduzieren sich deutlich mit dem Fortschreiten der Erkrankung. Besteht bereits ein sekundäres Lymphödem, lehnen viele spezialisierte Chirurgen eine Liposuktion bei der betroffenen Patientin sogar ab.

Forderungen von Lipödem Lëtzebuerg und Patiente Vertriedung:

  • Offizielle Definition des Stadium 4, welches in keiner offiziellen Leitlinie zu finden ist
  • Schnellstmögliche und kongruente Kostenzusage für die operative Behandlung für Antragstellerinnen im Stadium 4
  • Kostenübernahme der operativen Therapie bereits in früheren Stadien der Erkrankung (1,2 und 3) von mindestens 80% um ein weiteres Fortschreiten und Sekundärerkrankungen zu verhindern.