Yasmine ist 37 Jahre alt und von Geburt an krank. Solange sie sich erinnern kann, hatte sie immer kräftige Beine und ab einem gewissen Alter hat sie sich die Frage gestellt warum sie so komisch und „anders“ gebaut ist als andere Mädchen in ihrem Alter. Sie wird Euch hier ihre ganz persönliche Geschichte erzählen, sie wird sich nicht mehr verstecken und sie möchte anderen Betroffenen Mut machen, ihrer Krankheit ein Gesicht zu geben und sich nicht mehr dahinter zu verstecken.
"The Story Of My Life"
Yasmine Goerend - 19. Januar 2017
Klinische Diagnosen:
- Klippel Trénaunay Syndrom (KTS)
- Chronisches Lymphödem beider Beine, Stadium II
- Lipödem in beiden Beinen
- Stamm und Seitenastvaricosis, Stadium II
- Thrombose im linken Bein mit Lungenembolie im Jahr 2010
- Thrombose im rechten Bein im Jahr 2013
- Mutation C677T vom Gen MTHFR
Was bedeutet Klippel Trénaunay Syndrom?
KTS, auch bekannt als „Riesenwuchs“, ist eine seltene Erkrankung wobei die betroffenen Patienten unter anderem unter Wachstumsstörungen leiden, Fehlbildungen der Gefäßsysteme und Hautverfärbungen haben. Bis 2016 waren nur rund 1000 Fälle vom KTS betroffenen Personen dokumentiert.
Ich persönlich leide hauptsächlich unter einem Lymphödem, Lipödem (wobei ich nicht weiß ob das Lipödem in Zusammenhang mit dem KTS steht), unter einer chronischen Veneninsuffizienz und Hautverfärbungen, wie man auf dem Bild sehen kann.
Eine Seite von meinem Körper ist grösser und dicker als die andere und als Kind hatte ich bis zum Alter von 11 Jahren einen Längenunterschied in den Beinen von fast 4cm, mein linker Fuß ist deutlich breiter und grösser als der rechte, was typisch für das KTS ist.
Meinem Vater ist relativ früh aufgefallen, dass ein Bein dicker ist als das andere und ist mit mir von einem Arzt zum anderen gefahren, leider ohne Ergebnis, bis wir dann schlussendlich von meinem damaligen Kinderarzt nach Homburg in Deutschland überwiesen wurden.
Nach unzähligen Tests wurde dann schlussendlich KTS diagnostiziert.
Es war dann auch in Homburg wo die Korrektur der Längendifferenz vom linken auf das rechte Bein durchgeführt wurde. Das Wachstum des linken Beines wurde gestoppt, indem man Klammern in das Knie einsetzte. Nachdem das rechte Bein nachgewachsen war, nach ungefähr 1,5 Jahren, wurden die Klammern wieder entfernt.
Bis heute kann kein Längenunterschied mehr festgestellt werden.
Mein Leben mit Lip- und Lymphödem
Vor ungefähr 15 Jahren, im Alter von 22 Jahren ging ich zu Dr. Weides, Facharzt für Gefäßchirurgie, weil meine Beine immer dicker wurden und ich Tag für Tag Schmerzen verspürte. Er hat mich aufgeklärt über die Krankheit, dass ich nicht so weitermachen könnte und hat mir Lymphdrainage verschrieben, so wie eine Kur in der Földiklinik im Schwarzwald.
Dies habe ich auch befolgt; ich durfte nach 3 Wochen nach Hause, und zum ersten Mal in meinem Leben wurde ich mit einer Kompressionsversorgung konfrontiert. Zu diesem Zeitpunkt war es für mich eine Qual mich Tag für Tag in diese Versorgung zu zwängen.
"Ich habe mich konsequent dagegen gewehrt, alles in die Ecke geschmissen und meine Krankheit mit allem was dazu gehört 6 Jahre lang komplett ignoriert."
Im Jahr 2008 habe ich mich überwunden und bin erneut zu Dr. Weides gegangen, um ihm meine mittlerweile sehr dick gewordenen Beine vorzuzeigen. Er hat mir ins Gewissen geredet, dass ich so auf keinen Fall weitermachen könnte, denn meine Beine waren so angespannt von der angesammelten Lymphflüssigkeit (Lymphödem), dass es nicht mehr lange dauern würde bis ich offene Beine hätte.
Also wurden mir erneut 3 Wochen Kur verschrieben wo ich dann kurze Zeit später schweren Herzens wieder hinfuhr.
"Ich hatte die Chance eine wunderbare Therapeutin zu haben, die mir nicht nur täglich mit manueller Lymphdrainage versorgt hat, sondern erkannte wie schlecht es mir psychisch ging."
Sie hat mir Mut zugesprochen, mich motiviert und mich in den 3 Wochen richtig aufgebaut. Wir stehen heute noch in Kontakt und ich werde ihr auf ewig dankbar sein.
Seitdem gehe ich anders mit meinen Krankheiten um. Ich trage täglich meine Kompressionsversorgung, gehe alle 6 Monate in meine Venenkontrolle und vor allem mache ich alle 2-3 Jahre meine Kur. Es ist einfach Wahnsinn, wenn man die Resultate nach 3 Wochen sieht.
Meinen größten Erfolg hatte ich im Jahr 2008, wo ich nach 3 Wochen Kur mit insgesamt 4 Liter Wasser weniger entlassen worden bin.
Wer sich nichts unter der Földiklinik vorstellen kann und was dort gemacht wird, hier eine kurze Erklärung:
Auf den Bildern sieht man Schaumstoff und viele Verbände. Nach jeder täglichen manuellen Lymphdrainage bekommt man zuerst den Schaumstoff über die Beine gelegt, anschließend werden die Verbände darüber gewickelt, um maximalen Druck zu erzeugen, und mit denen man so viel wie möglich Sport und Bewegung haben soll. Somit wird maximaler Druck auf die Beine erzeugt und das überschüssige Wasser wird entweder durch Schwitzen oder indem man öfters Wasser lässt, raustransportiert.
Ich möchte jeder betroffenen Person wirklich ans Herz legen in die Földiklinik zu gehen, wenn es möglich ist, diese 3 Wochen helfen mir sehr und geben mir immer wieder ein neues Lebensgefühl.
Insgesamt war ich fünf Mal in der Földiklinik, und einmal in Österreich wo es auch so eine Fachklinik gibt, die aber nach einer anderen Methode lymphen, die sich nennt: „Manuelle Lymphdrainage nach Dr. Vodder“.
Durch meine Veneninsuffizienz hatte ich im Jahr 2010 eine Thrombose im linken Bein, mit Lungenembolie.
Im Jahr 2013 hatte ich noch einmal eine Thrombose, diesmal im rechten Bein. Ich musste jedes Mal Spritzen in den Bauch machen um das Blut zu verdünnen und ging regelmäßig zur Blutanalyse, um den Thrombosewert zu kontrollieren.
Doch anstatt, dass sich der Wert verbesserte, stieg von Mal zu Mal die Anzahl der D-Dimere (so nennt sich dieser Wert). Der Sollwert liegt bei 500, doch meiner lag zu diesem Zeitpunkt bei 3000.
Also wurde ich zu einem Internisten überwiesen der weitere Tests durchführte. Heraus kam eine weitere Erkrankung, eine sogenannte Mutation C667T vom Gen MTHFR, was so viel bedeutet, dass ich ständig einen Vitamin B12 und Folsäuremangel habe. Dadurch ist das Thromboserisiko nochmals erhöht.
Ich muss jetzt täglich Medikamente nehmen, seit dem Jahr 2013 hatte ich zum Glück keine Thrombose mehr.
Durch das regelmäßige Tragen meiner Kompressionsversorgung, die manuelle Lymphdrainage und die regelmäßigen Aufenthalte in der Földiklinik, das Achten auf eine ausgewogene Ernährung, habe ich meine Krankheiten im Griff.
Ich habe mein Gewicht, seit ich Anfang des Jahres in Kur war, um 10kg reduzieren können. Bei Lipödem Patientinnen geht das Abnehmen nur mit Hilfe konsequenten Tragens der Kompression, angepasster Ernährung und Sport. Eine Frau die an Lipödem erkrankt ist kann NICHT mit irgendeiner Diät abnehmen!
"Eine Liposuktion kommt auf Grund meiner ganzen Krankengeschichte nicht in Frage, vor allem wegen dem hohen Thromboserisiko. Ich kann aber betroffene Frauen sehr gut verstehen, die ihren normalen Alltag nicht mehr schaffen und sich operieren lassen wollen."
Es ist keineswegs, wie immer noch gerne in der Gesellschaft gesagt wird, eine Schönheitsoperation! Nein, es ist eine Hilfe und oft die einzige Möglichkeit in meinen Augen den Betroffenen wieder zu Lebensqualität zu verhelfen, damit sie ein normales, beschwerdefreies Leben führen können.
Ich weiß gut, was es heißt, morgens mit Schmerzen in den Beinen aufzustehen und abends mit Schmerzen einschlafen zu müssen. tagtäglich die Kompressionsversorgung anziehen zu müssen, Sommer wie Winter.
"Lipödem und Lymphödem sind beide leider immer noch relativ unbekannte Krankheiten, und es sind nicht, wie auch oft in der Gesellschaft behauptet wird, billige Ausreden, weil man einfach nur „dick“ ist. Wir sind krank, wir haben mit Ausgrenzungen und Vorurteilen in der Gesellschaft zu kämpfen, bei der Krankenkasse stößt man weitestgehend auf taube Ohren, und leidet unter dauerhaften Schmerzen."
Niemand hat sich diese Krankheit/en ausgesucht und niemand weiß, wie es ist, damit zu leben, wenn er oder sie nicht selber betroffen ist.
Durch meine ganze Krankengeschichte wurde mir im Alter von 28 Jahren dringend abgeraten schwanger zu werden und Kinder zu bekommen. Zu diesem Zeitpunkt habe ich mir weiter keine Gedanken über dieses Thema gemacht, weil der „Richtige“ eben immer noch auf sich warten ließ.
Heute jedoch bin ich seit fast 6 Jahren mit meinem Partner zusammen, mittlerweile verlobt und natürlich waren Kinder ein Thema. Ich war ehrlich zu ihm und habe ihn früh aufgeklärt, und wir haben beide beschlossen, dass wir unser Leben zusammen ohne Kinder meistern werden.
Wir haben 3 Hunde, die uns auch sehr gut beschäftigen und die wir über alles lieben. Für mich sind die drei meine Kinder.
Ich möchte aber auch kurz auf das Thema Kompressionsversorgung und Rückerstattung seitens der Krankenkasse zu sprechen kommen. Damit mein Lip- und Lymphödem sich nicht verschlechtert ist es absolut wichtig und notwendig, dass ich meine Kompression jeden Tag trage. Leider bekomme ich aber nur 2 Paar pro Jahr von der CNS gestattet, was in meinen Augen einfach nur unmenschlich und unverständlich ist. Ich denke, dass jeder täglich frische Strümpfe anzieht, und das möchte ich auch. Aber wie soll das gehen?? Wasche ich meine Kompression jeden Tag, verliert sie die Elastizität und somit den gewünschten Effekt, wasche ich sie nicht jeden Tag, habe ich hygienische Probleme an den Füssen, wie Schweißfüße, Infektionen usw.
Ich hoffe inständig, dass sich in naher Zukunft etwas ändern wird, was die Krankenkassen und die Rückerstattung der Kompression, und auch noch andere wichtige Themen angeht.
Ich finde, dass wir Betroffenen endlich etwas Zuspruch und Verständnis verdient haben!
Ich hoffe, dass ich euch meine persönliche Geschichte etwas näherbringen konnte und auch etwas Mut zusprechen konnte nachdem ihr alles gelesen habt. Ich möchte der Krankheit ein Gesicht geben. Hier erzähle ich meine Geschichte, aber ich finde ich spreche für so viele Betroffene.
"Denen, die ihren Weg noch nicht gefunden haben, kann ich nur sagen: „Versteckt euch nicht, steht zu Euch und Eurer Krankheit, aber vor allem: lasst die Krankheit nicht Euer Leben bestimmen, denn nur Ihr bestimmt Euer Leben“.
Mein persönliches Dankeschön:
Ich bedanke mich bei den Personen die die Lipödem Lëtzebuerg asbl gegründet haben und sich stark machen für alle betroffenen Frauen.
Danke an alle mutigen Frauen die sich nicht mehr wegen ihrer Krankheit verstecken, sondern an die Öffentlichkeit gehen: Ihr habt mich hierzu ermutigt.
Danke an meine Familie, besonders meinem Vater und meinem Verlobten, die mich bedingungslos lieben und immer hinter mir stehen.
Danke an meine Freunde und Freundinnen, die immer für mich da sind, mich immer wieder aufbauen und mich unterstützen wo es nur geht.
Danke an jeden einzelnen der sich für meine Geschichte interessiert.